Fachtagung "Gemeinsam stark: vielfältige Zugänge zur Bewegung"

Die Fachtagung „Gemeinsam stark: vielfältige Zugänge zur Bewegung“ beleuchtete unterschiedliche Aspekte für die Gestaltung einer vielfältigen Bewegungslandschaft, die allen Menschen in Hessen zugutekommt.

Auf dieser grafischen Darstellung sind im Vordergrund mehrere Menschen unterschiedlichen Alters, mit und ohne Beeinträchtigungen zu sehen, die sich aktiv bewegen bzw. unterschiedliche Sportarten umsetzen. Im Hintergrund sind sowohl Bäume und eine Skyline zu sehen.

Der gemeinsame Jahresfachtag des Landesprogramms SPORTLAND HESSEN bewegt, des Landessportbunds Hessen e. V. (lsb h) und der Sportjugend Hessen fand in Frankfurt am Main statt. Sie brachte wichtige Akteure zusammen, um eine vielfältige Bewegungsförderung auf Landes- und auf kommunaler Ebene voranzutreiben.

Unter den knapp 120 Teilnehmenden waren Vertretungen aus dem Sport, aus Städten und Kommunen sowie aus weiteren interessierten Vereinen, Verbänden und Institutionen.

Vielfalt verstehen und gestalten

Die Teilnehmenden erwartete ein interessantes Programm mit

  • einem Impulsvortrag zum Thema Vielfalt
  • einer Keynote von Prof. Dr. Narku Laing, Professor für Sozialwissenschaften und Rassismusforschung an der Evangelischen Hochschule Bochum
  • Räumen für Vielfalt – hier diskutierten die Teilnehmenden zu relevanten Fragestellungen im World-Café-Format
  • einem „inklusiven“ Bewegungs- und Mitmachangebot
  • Vernetzung, Beispielen guter Praxis, Beispielen für Herausforderungen und Stolpersteine
  • Informationen zu Möglichkeiten der Qualifizierung und Bildung.

Katja Lüke führte als Moderatorin durch die Veranstaltung. 

  • Prof. Dr. Lorenz Narku Laing, Professor für Sozialwissenschaften und Rassismusforschung, Evangelische Hochschule Bochum

In seiner Keynote beleuchtete Prof. Dr. Narku Laing, ein ehemaliger Spieler, Vertreter und Trainer der American Football Landesauswahl Hessen, warum Vielfalt im Sport bisher scheitert und welche Schritte nötig sind, um Diskriminierungsfreiheit zu fördern.

Die Kernpunkte:

  • Perspektivenwechsel: Vielfalt scheitert, weil wir eine falsche Perspektive einnehmen. Menschen sind nicht behindert, sie werden behindert. Die Gesellschaft, nicht die Menschen, die wir integrieren wollen, ist das Problem. Wir müssen lernen, zu teilen und anzuerkennen, dass Vielfalt Konflikte mit sich bringt, die wir akzeptieren und angehen müssen.
  • Diskriminierung im Sport: Wir haben auf gesellschaftlicher Ebene ein systematisches Diskriminierungsproblem. Frauen verdienen weniger als Männer und auch Menschen mit Migrationshintergrund sind auf dem Arbeitsmarkt oft benachteiligt. Diese Ungleichheiten sind tief verwurzelt und werden oft unbewusst von Generation zu Generation weitergegeben. Es gilt, Privilegien neu zu verteilen und Budgets umzuverteilen, damit diejenigen, die durch das sichtbare Ungleichgewicht benachteiligt wurden, dieselben Chancen bekommen – auch über den Sport hinaus.
  • Antidiskriminierungskompetenz: Sportvereine müssen Menschen mit unterschiedlichen Lebensrealitäten einschließen. Dazu brauchen sie Strukturen, die Diskriminierung aktiv bekämpfen, z. B. Ansprechpersonen für Belästigung und Diskriminierung. Und es braucht mehr Antidiskriminierungskompetenz, um für verschiedene Bedürfnisse zu sensibilisieren (z. B. Fastenzeit, Behinderungen etc.) und verinnerlichte Diskriminierungskompetenz abzubauen. Antidiskriminierungsbeauftragte und ein Code of Conduct sind hierfür wichtige Instrumente.
  • Gesellschaftliche Verantwortung: Vielfalt allein kommt von selbst, aber Diskriminierungsfreiheit nicht. Es braucht einen ehrlichen Dialog, um diese Themen und Probleme offen anzusprechen und praktische Lösungen zu finden, wie Mittel für Diskriminierungsfreiheit und gegen Rechtsextremismus sowie klare Zeichen der Offenheit für Vielfalt in den Vereinen. Vielfalt wird nicht gelingen, wenn wir nicht über die Probleme reden, die unsere Gesellschaft in sich trägt. Es geht um Solidarität und die echte Anerkennung der Probleme, die Menschen in ihrem alltäglichen Leben haben.
  • Was wenn Integration nicht das Problem ist? Was wenn Diskriminierungsfreiheit das Problem ist? Integrationsprojekte müssen Menschen, die diskriminieren, und Menschen, die Armut verhindern können, in den Mittelpunkt stellen und nicht länger Menschen, die die Probleme nicht auslösen.

Fazit: Um echte Vielfalt zu fördern, müssen wir bereit sein, unseren eigenen Komfort zu hinterfragen, offen über Probleme zu sprechen und Strukturen zu schaffen, die Diskriminierung abbauen und Vielfalt ermöglichen. Nur wenn wir die unterschiedlichen Erfahrungen, Ereignisse und Situationen der Menschen akzeptieren, werden wir Vielfalt im Sport schaffen und fördern können.

Die Fishbowl-Diskussion zum Thema „Gemeinsam stark? Vielfalt im Sport als Motor für sozialen Zusammenhalt und Teilhabe“ fokussierte die Herausforderungen und möglichen Lösungsansätze zur Förderung von Vielfalt im Sport.

Neben

  • Prof. Dr. Lorenz Narku Laing, Evangelische Hochschule Bochum
  • Michael Schaich, stellvertretender Abteilungsleiter Sport und Referatsleiter Leistungssport, Breiten- und Gesundheitssport, Hessisches Ministerium für Familie, Senioren, Sport, Gesundheit und Pflege
  • Ralf-Rainer Klatt, Vizepräsident Sportentwicklung, Landessportbund Hessen e. V. (lsb h)
  • Dr. Katharina Böhm, Geschäftsführerin der Hessischen Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung e. V. (HAGE)

diskutierten viele Teilnehmende mit und teilten offen ihre Ideen und Erfahrungen.

  1. Ansprechpersonen und Strukturen gegen Diskriminierung:
    • Es wurde diskutiert, dass einzelne, feste Ansprechpersonen und Beauftragte in Vereinen nicht ausreichen, auch ist dies oft nicht umsetzbar. Eine mögliche Alternative könnte die Einrichtung solcher Stellen auf Landes- oder Kreisebene sein. Dennoch brauchen Vereine, die sich auf den Weg machen, mehr Unterstützung, um Barrieren abzubauen.
  2. Diskriminierung als Querschnittsthema:
    • Armut und Diskriminierung müssen gemeinsam und vorrangig bekämpft werden. Diskriminierung im Gesundheitssystem und im Sport beeinträchtigt die Gesundheit, und es besteht eine Wechselwirkung zwischen diesen Themen.
  3. Reflexion von Privilegien:
    • Die Diskutierenden waren sich einig, dass die Reflexion über eigene Privilegien entscheidend ist und dass die Bereitschaft zu teilen, z. B. Ressourcen, wachsen muss.
  4. Müdigkeit im Kampf für Integration:
    • Betroffene von Diskriminierung empfinden oft Frustration, die sich auch in Communities und über Social Media verbreitet. Es entsteht das Gefühl, dass sie nur willkommen sind, solange sie Leistung erbringen. Wahre Integration bedeutet, dass beide Seiten aufeinander zugehen.
  5. Barrieren im Sport und politischer Diskurs:
    • Trotz der Bereitstellung von Mitteln für Sportvereine, um Vielfalt zu fördern, sind die Hürden noch hoch. Die Frage bleibt, wie das Thema Vielfalt stärker in den politischen Diskurs eingebunden werden kann. Die Sportabteilung des HMFG betonte, dass solche Veranstaltungen und der offene Austausch sowie Feedback wichtig wären, um Projekte anzupassen und Wechselwirkungen u. a. mit dem Thema Armut stärker in den Fokus zu rücken.  

Abschlussfrage: Wie gehen wir mit Müdigkeit im Kampf für Vielfalt um?

  • lsb h: Es geht darum, Vorschläge konkret umzusetzen und Verantwortung im Rahmen der eigenen Rolle zu übernehmen.  
  • HMFG: Müdigkeit ist Teil des Einsatzes für Vielfalt und muss ausgehalten werden.
  • HAGE: Über Erfolgserlebnisse von Menschen, die Hindernisse bewältigt haben, sollte mehr berichtet werden, um positive Beispiele zu schaffen.
  • Prof. Dr. Laing: Vielfalt heißt, für Vielfalt einzustehen. Es ist wichtig, auf Betroffene zu hören und Hoffnung in Menschen zu finden, die sich engagieren. Der Fokus sollte auf Liebe, Solidarität und praktischen Fortschritten liegen.

Die Diskussion zeigte deutlich, dass Vielfalt im Sport ein komplexes Thema ist, das langfristige Anstrengungen und strukturelle Unterstützung erfordert.

  1. Schaffung diskriminierungsarmer Räume: Wie es gelingt Vielfalt im Sport in all ihren Facetten abzubilden und zum Abbau von Diskriminierung beizutragen.

    Moderation: Johannes Wirth (freiberuflicher Referent für politische Bildung)

     

  2. Zugänge zur Zielgruppe: Wie können wir die Menschen in ihrer Vielfalt erreichen? Entdecken Sie Wege, um Zugänge zu schaffen und die Zielgruppe(n) dabei einzubinden.

    Moderation: Zsuzsanna Majzik, Ervin Susnik (Sport Club Budokan Maintal e.V.)

     

  3. Gemeinsam stark: Vernetzung vor Ort: Wie Vernetzung, Zusammenarbeit und Partnerschaften dazu beitragen können, dass wir gemeinsam stärker werden und Veränderungen bewirken können.

    Moderation: Erik Gumlich (TSG Darmstadt), Sven Rückebeil (Inklusionslotse Kassel), Désirée Heß (SJH)

     

  4. Niedrigschwellige und bedarfsorientierte Angebote schaffen: Hier ging es um erfolgreiche Beispiele guter Praxis für niedrigschwellige und bedarfsorientierte Angebote, aber auch die Herausforderungen auf dem Weg zu diesen Angeboten. Erfahren Sie, wie Sie Stolpersteine überwinden können.

    Moderation: Kristina Salman & Linda Huf-Hoko (HAGE), Zohreh Almadani (Frauentreff Brückenhof)

     

  5. Vielfalt erleben! Entdecken Sie „inklusive“ Bewegungsangebote

    Moderation: William Sonnenberg (lsb h)

Die Moderatorin Katja Lüke und der Graphic recorder Marcus Frey blickten zum Schluss nochmal gemeinsam auf das Graphic recording und ließen damit den Tag Revue passieren.

„Mit welcher Inspiration gehen Sie heute raus?" lautete die Abschlussfrage der Moderatorin Katja Lüke, bevor die Fachtagung zu Ende ging. Entdecken Sie die Antworten der Teilnehmenden auf dem Mentimeter-Bild:

Organisation

Die Veranstaltung wurde von der Programmkoordinierung des Landesprogramms SPORTLAND HESSEN bewegt (bei der HAGE angesiedelt) und dem Referat Vielfalt der Sportjugend Hessen und des Landessportbundes Hessen e. V. organisiert. Die Fachtagung wurde aus Mitteln des Hessischen Ministeriums für Familie, Senioren, Sport, Gesundheit und Pflege (HMFG) und durch das Programm „Integration durch Sport“ gefördert, welches durch das Bundesministerium des Innern und für Heimat finanziert wird. Die Veranstaltung war für alle Teilnehmenden kostenfrei.

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